Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass das Pyridoxamin ein wirksamer Inhibitor der Bildung von Fortgeschrittenen Glykierungsendprodukten ist. Sie zeigen auch, dass es ermöglicht, die Entwicklung von bestimmten Komplikationen der Diabetes aufzuschieben.
Das Pyridoxamin ist eine der drei natürlichen Vitamin B6 Formen, die beiden anderen sind das Pyridoxin und das Pyridoxal. Alle drei unterscheiden sich nur von dem Aufbau der vier Seitengruppen an den Ringpositionen. Im Fall des Pyridoxamins handelt es sich um eine CH2-NH2 Gruppierung, eine Aminogruppierung. Die drei Formen können in Pyridoxalphosphat, die wirklich aktive Form des Vitamin B6, umgewandelt werden.
Die Phänomene der Glykierung
Die Glykierung ist eine nicht enzymatische Reaktion, die sich zwischen den Proteinen und den Zuckern produziert und auf nicht rückgängig zu machende Weise die Konfiguration der Proteine beeinträchtigt.
Diese veränderten Proteine, die man als Fortgeschrittene Glykierungsendprodukte bezeichnet (AGEs, für advanced glycosylation end products), sind nicht mehr in der Lage, ihre Rolle wirksam auszuüben. Die AGEs sind der Ursprung für die Alterungsmechanismen des Organismus, aber auch für Störungen des zellulären Stoffwechsels. Die Wichtigkeit der Bildung dieser Verbindungen ist stark mit der Hyperglykämie verbunden.
Die Verbindung von Glukose und bestimmten anderen Zuckern mit Proteinen wurde im Jahre 1912 durch einen Chemiker, Louis Camille Maillard, entdeckt. Diese Reaktion wurde zuerst während der Erhitzung von Nahrungsmitteln bei Vorhandensein von Zucker beobachtet. Erst Mitte der 70er Jahren haben die Biologen die Tatsache akzeptiert, dass diese Maillard-Reaktionen auch im Organismus stattfinden könnten.
Erst vor noch kürzerer Zeit wurde ihre Rolle bei bestimmten weitverbreiteten pathologischen Manifestationen, wie die Diabetes und das Altern, anerkannt. Im Organismus des Menschen kann der Zucker-Protein-Komplex eine Kettenreaktion in die Wege leiten, die in einigen Tagen zur Bildung von umkehrbaren Zwischenprodukten führt. Diese Produkte trocknen anschließend aus, kondensieren sich und organisieren sich in wenigen Wochen, um die unumkehrbaren Verbindungen, die AGEs, zu bilden.
Zahlreiche AGEs nehmen die Bildung von anormalen Überkreuzbindungen bei Diabetikerpatienten in Angriff, ein Reaktionsstadium der AGEs, das die Proteine und die anderen Makromoleküle schädigt, indem ihre Konfiguration der Moleküle beeinträchtigt wird. Andere AGEs sind dazu fähig, verschiedene schädliche Antworten auszulösen, nachdem sie von den spezifischen Rezeptorzellen absorbiert wurden. Diese Glykosylierungsprodukte häufen sich bei Diabetikerpatienten und bei älteren Menschen an und sind in zahlreichen physio-pathologischen Veränderungen impliziert.
Die Überkreuzbindungen mit den Proteinen des Kollagens tragen so zu der Rigidität und dem Elastizitätsverlust der Gewebe sowie zur Verdickung der Gefäßwände, die man bei der Diabetes und während des Alterns beobachtet, bei. Diese Veränderung der Proteine ist auch in der Linsentrübung, die sich beim Katarakt einstellt, impliziert. Die Glykierung der Nukleinsäuren kann der Ursprung von DNA-Mutationen sein und beeinträchtigt ihre Fähigkeiten zur Replikation und zur Transkription. Die Bildung von AGEs auf die Lipide ruft ihre Oxidation hervor und begünstigt so die Entwicklung von arteriosklerotischen Gefäßschäden.
Hemmt die Bildung von AGEs
Das Pyridoxamin hemmt wirksam die Bildung von AGEs, die aus den Amadori-Produkten stammen. Es hemmt gleichzeitig die Bildung von AGEs und die Entwicklung von Komplikationen bei Tiermodellen mit Diabetes. In vitro hemmt das Pyridoxamin die Bildung von AGEs und ALEs (Fortgeschrittene Lipidoxidationsprodukte) sowie die chemische Veränderung der Proteine bei Tiermodellen mit Hyperglykämie und Hyperlipidämie. Das Pyridoxamin, im Unterschied zu anderen Inhibitoren, hemmt die Degradation der Amadori-Produkte in AGEs.
Zwei Hauptmechanismen wurden vorgeschlagen, um die Verringerung der Bildung der AGEs zu erklären: in vivo, das in die Falle locken der Carbonylgruppe und die Rückgewinnung der Metallionen. Man hat suggeriert, dass das Pyridoxamin die Umwandlung der Amadori-Produkte in AGEs blockiert, indem es in die Rolle als Katalysator der Metallionen Redox, die für die Glukose-Oxidase Reaktion notwendig sind, einschreitet. Die Entdecker des Pyridoxamins haben kürzlich vorgeschlagen, in vitro Studien zufolge, dass diese Komponente hauptsächlich die Umwandlung von Amadori-Zwischenprodukten in AGEs-Carboxymethyllysin blockiert. Der hemmende Mechanismus impliziert das Eingreifen in die Rolle als Katalysator der Metallionen Redox, die in vitro für die Glukose-Oxidase Reaktion unerlässlich sind
1.
Eine Alternative zu diesem Mechanismus könnte das in die Falle locken der reaktiven Carbonylgruppen mit geringem Molekulargewicht sein, die durch die Degradation von Glukose und Lipiden produziert werden.
Hemmt die Bildung von ALEs
Das Pyridoxamin ist in vitro auch ein wirksamer Inhibitor der ALEs. In Analogie zu dem vorausgehend beschriebenen Mechanismus, hat man vorgeschlagen, dass das in die Falle locken der Zwischenprodukte der Bildung von ALEs sich auch im Rahmen der hemmenden Reaktionen der Lipidperoxidation produziert hat.
Inhibitor der ALEs, im Fall von Hyperlipidämie senkt es gleichzeitig die Werte des Cholesterins und der Triglyceride und beugt zur gleichen Zeit den chemischen Veränderungen und den Überkreuzbindungen von Kollagen in den Nieren und in den Gefäßen von fettleibigen und diabetischen Zuckerratten vor
2. Bei den Ratten schützt es vor pathologischen Veränderungen der frühzeitigen diabetischen Neuropathien, die durch die Injektion von Serumalbumin, das durch die AGEs modifiziert wurde, induziert wurden.
Beugt bestimmten Komplikationen der Diabetes vor
Mehrere präklinische Studien haben unter Beweis gestellt, dass die orale Einnahme von Pyridoxamin eine schützende Wirkung bei der Prävention von Neuropathien bei den Diabetikern Typ 1 und 2 ausübt.
Eine Studie hat so die Fähigkeit des Pyridoxamins zum Schutz vor Gefäßschäden in der Netzhaut, die durch die Diabetes induziert wurden, unter Beweis gestellt. Sein Effekt wurde mit dem von Antioxidantien, dem Vitamin E und der R-Alpha-Liponsäure bei Ratten mit einer Diabetes, die durch das Streptozotocin induziert wurde, verglichen. Die Tiere haben Pyridoxamin (1 g/l Getränk auf Wasserbasis), Vitamin E (2.000 IU pro kg), Alpha-Liponsäure (0,05% pro kg Nahrung) erhalten. Nach 29 Wochen Diabetes wurden die pathogenen Veränderungen, die Beeinträchtigungen der Genexpression der extrazellulären Matrix sowie die Anhäufung von immunreaktivem Lysin in den Netzhäuten untersucht. Die Ergebnisse dieser Beobachtungen haben darauf hingewiesen, dass das Pyridoxamin vor einer Serie von pathogenen Veränderungen in der diabetischen Netzhaut geschützt hat und dass es bei der Behandlung der diabetischen Retinopathie nützlich sein könnte
3.
Im Jahre 2003 hat eine Phase-2-Studie in den Vereinigten Staaten, die durchgeführt wurde, um seine Sicherheit und seine Toleranz zu bestimmen, vorausgehende Beobachtungen über seine Wirksamkeit bei Patienten, die eine Neuropathie Typ 1 und 2 mit Serenwerten von Kreatin, die niedriger oder gleich 2mg/dl waren und die eine manifeste Proteinurie aufgewiesen haben, gemacht. Das Pyridoxamin wurde gut toleriert und der Prozentsatz von Patienten, die negative Zwischenfälle erfahren haben, war sehr gering und ähnlich in der behandelten Gruppe und der unter Placebo. Die preliminären Analysen der Wirksamkeit haben herausgestellt, dass eine Erhöhung des Serenwertes von Kreatin um mindestens 0,5 mg/dl wesentlich häufiger bei den Placebo-Patienten (22%) als bei denen, die Pyridoxamin eingenommen haben (12%), vorzufinden war. Spätere Analysen haben auf deutliche Reduzierungen der Erhöhung des Kreatins im Serum und der Ausscheidung von Albumin durch den Urin in der behandelten Gruppe hingewiesen
4.
In einem anderen Versuch wurden noch einmal die preliminären Daten der Wirksamkeit von Pyridoxamin auf die Funktionsweise der Nieren beobachtet
5. Die behandelte Gruppe hat eine Verringerung des profibrotischen Zytokins, das mit der Glomerulosklerose assoziiert wurde, gezeigt.
Das Pyridoxamin beugt 25 bis 50% der Bildung der AGEs vor und verbessert die Nierenstörungen, die mit der Diabetes verbunden sind (es verbessert die Albuminurie, das Plasmakreatin und die Hyperlipidämie). Es wirkt, indem es die reaktiven Carbonylgruppen in die Falle lockt und zeigt erholende Eigenschaften von freien Radikalen.
Das Malondialdehyd ist ein wichtiges Verbindungsstück bei der Bildung von ALEs im Laufe der Lipidperoxidation. Eine Studie wurde definiert, um zu bestimmen, ob das Pyridoxamin das Malondialdehyd einfangen und so der Bildung von ALEs vorbeugen konnte. Die Ergebnisse dieses Versuches haben klar gezeigt, dass das Pyridoxamin die Bildung von ALEs gehemmt hat, indem es direkt das Malondialdehyd unter physiologischen Bedingungen in die Falle gelockt hat. Sie haben auch einen kurzen Überblick über den Wirkungsmechanismus des Pyridoxamins bei dem Schutz der Proteine vor dem Carbonyl Stress erbracht
6.
Eine Studie, die mit den Linsen von Ratten mit einer induzierten Diabetes realisiert wurde, suggeriert, dass das Pyridoxamin die Bildung von AGEs in der Linse von diabetischen Ratten hemmen kann, indem es die Aktivität der Aldosereduktase stimuliert und indem es mit den Vorstufen der AGEs reagiert
7.
Eine kürzlich durchgeführte Studie mit einem Mäusemodell mit Diabetes Typ II hat gezeigt, dass das Pyridoxamin, wenn es als alleinige Behandlung verwendet wird, das stetige Fortschreiten der Albuminurie und der glomerulären Schäden verringert. Das Pyridoxamin, assoziiert mit Enalapril, ein Angiotensin-Umwandlungsenzym-Hemmer, hat das Fortschreiten der diabetischen Neuropathien sowie der Sterblichkeit reduziert
8.
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